BGH, Beschluss vom 20.09.2000, AZ.: V ZB 58199 = ZMR 2000, 771 = MDR 2000,1367
Am 20. September 2000 hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung mit erheblichen Auswirkungen für die Verwaltungspraxis getroffen. Waren bisher selbst bei überschreiten der Beschlusskompetenz mit Ablauf der Anfechtungsfrist alle formellen Fehler geheilt, so ist nach der neuen Rechtsprechung des BGH ein Beschluss bei absoluter Beschlussunzuständigkeit der Eigentümerversammlung nicht nur anfechtbar, sondern von vornherein nichtig. Dies gilt für alle Beschlussgegenstände, die nach dem Gesetz durch Vereinbarung geregelt werden müssen.
Unter anderen fallen folgende Beschlüsse unter den neuen Nichtigkeitsgrund der Beschlussunzuständigkeit:
- Beschluss über die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes
- Bestimmte Anforderungen an den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung entgegen der gesetzlichen Regelung
- Stimmrechtsbeschränkung
- Einführung der Haftung des Rechtsnachfolgers
- Beschluss über dauerhafte Änderung des Kostenverteilerschlüssels
- Beschluss über Festsetzung von Verzugszinsen, abweichend vom Gesetz
- Dauerhafte Regelung über höhere Beiratszahl als die gesetzlich festgesetzte Zahl von 3 oder von Außenstehenden als Mitglied des Beirats
- Dauerhafte Änderung des Stimmrechts
- Einführung einer Ladungsfiktion (Anmerkung: Einladung zu 2. Versammlung z.B. 1 Stunde später)
- Dauerhafte Regelung auf Fortgeltung des Wirtschaftsplans über das Jahr hinaus
- Umstellung des Wirtschaftsplans oder der Jahresabrechnung auf abweichendes Wirtschaftsjahr
- Dauerhafte Regelung über Kostenverteilung, z.B.: jeder Wohnungseigentümer hat für die Instandhaltung seines Fensters aufzukommen oder die Müllgebühren sollen anstatt nach Miteigentumsanteilen nach Personen umgelegt werden
- Beschluss über eine Umzugskostenpauschale
Ausnahmen macht der BGH bei Beschlüssen zur Regelung in Angelegenheiten des Gebrauchs (§ 15 WEG), der Verwaltung (§ 21 WEG) und bei Instandhaltung/Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (§ 22 WEG). Dabei muss die Wohnungseigentümergemeinschaft darauf achten, dass sie bei Beschlussfassung nicht über die Ordnungsgemäßheit des Gebrauchs, der Verwaltung und der Instandhaltung hinausgeht.
Zu beachten ist, dass die Nichtigkeit von allen Beteiligten auch ohne gerichtliche Feststellung und ohne zeitliche Befristung jederzeit geltend gemacht werden kann.
Von der formellen Nichtigkeit wegen Kompetenzüberschreitung sind die Wohnungseigentümergemeinschaften nicht betroffen, die eine Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung haben. Mit der Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung haben die Wohnungseigentümer die gesetzliche Kompetenzzuweisung durchbrochen und auf Beschlussebene verlagert.
Verwalter und Wohnungseigentümer, sind somit gut beraten, die Gemeinschaftsordnung bis ins Detail zu studieren.
Festzustellen ist jedoch bereits heute, dass sämtliche in der Vergangenheit gefassten Beschlüsse über Kostenregelung und sonstige Beschlüsse die in der Aufzählung aufgeführt sind, von Anfang an nichtig sind. Dies bedeutet daher insbesondere, dass zukünftig alle Nebenkostenabrechnungen gemäß Wohnungseigentumsgesetz und der Gemeinschaftsordnung erstellt werden müssen.
| Quelle: Impuls-Newsletter 1/2001, Impuls Immobilien-Verwaltungs GmbH (Manuel Mojedano) |